Natürliches und Künstliches

Pflegerobotik Update

Vor zwei und vor vier Jahren habe ich mich hier mit Robotern im Zusammenhang mit Pflege, zuletzt besonders mit “Gefühlen” bei Robotern beschäftigt. Zeit für ein Update. Was hat sich geändert? Gibt es inzwischen DEN Durchbruch? Um es gleich zu sagen: nein. Auch wenn es vor allem technisch sehr viel Fortschritt gegeben hat.

Assistenzroboter oder sozioemotionale Roboter

Weiterhin gilt diese Einteilung. “Assistenz”- oder “Service”- Roboter arbeiten selbständig, das gilt sowohl für Industrieroboter wie den Saugroboter im Haushalt. Sozioemotionale oder auch “Begleit”- Roboter, z.B. Pepper, Paro und deren Nachfolger können in der Beschäftigung von Menschen eingesetzt werden. Das Problem für den Einsatz in der Pflege liegt darin, dass es diese beiden Leistungen nicht gleichzeitig gibt. Assistenzrobotik kann die Pflege selbstverständlich entlasten, als Pflegerobotik kann man sie aber ebenso wenig bezeichnen wie zum Beispiel einfache Transportsysteme. Sie kann lediglich Zeit und Kraft einsparen helfen. Das ist wichtig, aber keine “Pflege”, zumindest keine selbständige. Der “Pflegenotstand” kann nicht durch Roboter beendet werden.

Fachpflege, was ist das eigentlich?

Bei pflegerischem genauso wie ärztlichem Handeln ging es eigentlich immer um Für – Sorge, was nicht gleichbedeutend mit Ver – Sorgen ist. Die Wurzeln liegen in Tätigkeit als Hilfe und Sorge, care, caritas,  aber es gibt einen Professionalisierungsprozess, der immer weiter fortschreitet. In beiden Fällen ist eine langjährige Ausbildung nötig. Im Pflegeberufegesetz werden die Tätigkeiten aufgelistet, die examinierten Pflegekräften vorbehalten sind. Dazu gehören Organisation, Gestaltung, Sicherung und Entwicklung der Qualität in der Pflege, vor allem aber die “Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs”. Das zeigt klar, dass Fachpflege heute auf eigenen Konzepten beruht, entwickelt und begründet vom Fach “Pflegewissenschaft” und dass es sich keinesfalls nur um Ausführung ärztlicher Anordnungen handelt. Warum ist das wichtig?

Pflegeplan ist individuell

Ein guter Pflegeplan kann nicht standardisiert nach Diagnosen aufgestellt werden, sondern nach der Beobachtung und Expertise durch eine Fachpflegekraft. Die Pflegewissenschaftlerin Professorin Martina Hassler wies bei einem kürzlichen Vortrag beispielhaft darauf hin, dass die Pflegeperson während des Transportes eines Patienten viel wahrnimmt; sie registriert den Augenkontakt, erfährt viel über Orientierung und den neurologisch-psychischen Status. Dieser Hinweis zeigt besser als jede theoretische Diskussion, wie ganz falsch es sein  würde, wenn wirklich Patienten in der Klinik nur noch von voll automatisierten Systemen beispielsweise zur Röntgenabteilung gefahren werden würden.

Handlungskompetenz als Ziel

Das letztliche Ziel der Fachausbildung ist Handlungskompetenz, nach der Definition der Kultusministerkonferenz 2018  „die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“. Spätestens hier wird klar, dass Roboter nicht Fachpflege ersetzen können. Roboter “denken” nicht, “entscheiden” nicht und “handeln” nicht. Wir werden völlig neue Begriffe brauchen und sicher diese uns bekannten vielleicht neu überdenken und  im Zusammenhang mit  Künstlicher Intelligenz (KI) neu bewerten müssen. Handlungen und Entscheidungen jedenfalls haben immer mit Verantwortung zu tun, und diese ist dadurch charakterisiert, dass sie einklagbar ist.

Der ethische Aspekt

Wichtig ist ferner der Aspekt  ethischer Verantwortung. Es wird die Achtung der Menschenrechte, einschließlich kultureller Rechte, des Rechts auf Leben und Entscheidungsfreiheit auf Würde und auf respektvolle Behandlung als untrennbar von der Pflege bezeichnet. Pflege wird “mit Respekt und ohne Wertung des Alters, der Hautfarbe, des Glaubens, der Kultur, einer Behinderung oder Krankheit, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Nationalität, der politischen Einstellung, der ethnischen Zugehörigkeit oder des sozialen Status ausgeübt”. Auch hier ergeben sich viele Fragen für den Einsatz von “selbständigen” Robotern.

Wie weit ist das  Recht

2019 hatte die “High-Level Expert Group on AI” im Anschluss an eine Pilotphase mit weitreichender Diskussion einen Vorschlag für Leitlinien einer vertrauenswürdigen KI gemacht. 2020 wurde eine “Final Assessment list for trustworthy AI” vorgestellt, auf die Entwickler zurückgreifen sollten. 2021 gab es von Seiten der EU- Kommission Entwürfe für Regeln, den Umgang mit künstlicher Intelligenz betreffend. Danach soll eine vertrauenswürdige KI neben allen geltenden Gesetzen auch besondere Anforderungen erfüllen: sie soll die menschliche Entscheidungsfreiheit und Autonomie unterstützen, nicht beeinträchtigen und einschränken. Die zugrundeliegenden Algorithmen müssten konsistent, fehlerfrei und robust arbeiten. Entscheidungen der KI müssten nachvollziehbar und es müsste eindeutig sein, wer für sie verantwortlich ist. Menschen sollten die Kontrolle über ihre Daten behalten und dürften durch die Datenverarbeitung der KI nicht geschädigt oder diskriminiert werden.

Robotergesetze von 1942

Wenn man das liest, sieht man im Grunde die schon 1942 formulierten “Robotergesetze” von Isaac Asimov: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. – Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen, es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.- Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert. Nichts Neues also? Das wäre vereinfacht. Es ist erfreulich, dass der weltweite Diskurs seit Jahren gefördert wurde. Bis allerdings wirklich EU-Regeln vorliegen, werden weitere Jahre vergehen, da der demokratische Prozess erfordert, dass Vorschläge der EU-Kommission anschließend durch die EU-Staaten und das Europaparlament verhandelt werden müssen. Bis zu einem solchen Punkt ist jedenfalls für den Kontext “Pflege” festzuhalten, dass Roboter niemals allein am Patienten bleiben dürfen, was allein schon aus Sicherheitsaspekten ausgeschlossen sein muss.

Was heißt das für die Pflege?

Der Deutsche Ethikrat hatte 2020 in seiner Stellungnahme gesagt, dass er einen möglichen Nutzen der Robotik für den Pflegebereich anerkenne, diesen aber nicht in der Beseitigung von Personalengpässen oder des Pflegenotstandes sehe, sondern im Sinne der Unterstützung und Förderung guter Pflege. Voraussetzung sei in jedem Falle, dass Roboter nicht als Ersatz zwischenmenschlicher Beziehungen betrachtet werden im Sinne einer bloßen Effizienzmaximierung, ferner, dass sie nie gegen den Willen von Gepflegten und Pflegenden eingesetzt werden dürften und dass alle Betroffenen in die Entwicklung der Technik einbezogen werden. Dem ist eigentlich nichts  hinzuzufügen, aber man kann heute erfreut feststellen, dass die Diskussion jetzt in eben diese Richtung geht.

Zusammenarbeit von Pflege und Technik

Es werden gemeinsame differenziertere Ziele von Pflegewissenschaft und Technik formuliert. Dabei ergeben sich auch neue Fragen: zum Beispiel bestehen andere Anforderungen für Pflege in der Klinik und für solche zu Hause. Das Gute der technischen Seite  ist, dass sie Roboter anpassen kann; das muss aber im Hinblick auf die jeweilige Anforderung erfolgen und setzt im Vorfeld eine konstruktive Arbeit mit Pflegenden, Patienten und Angehörigen voraus, in der Klinik ferner mit Pflegedienstleitern und Organisationsstrukturen. Ein weites Feld! Zudem scheint auch ein neues Problem auf: wird die Einführung von mehr Technik nicht auch in der Pflege selbst mehr Standardisierungsdruck machen, weil die Individualisierung auch bei Robotern technisch und finanziell an ihre Grenzen stoßen wird?

Fazit

  • Die je nach Standpunkt und Interessen Hoffnung oder Angst, dass Roboter Fachpflegekräfte ersetzen können, scheint immer unbegründeter.
  • Im Augenblick ist jeder Roboter noch selbst sehr “pflegebedürftig”,  er braucht noch mehr die Menschen als die Menschen ihn.
  • Die in der Werbung oft dargestellte Kombination von Serviceroboter und sozioemotionalem Roboter ist nicht erreicht und im Augenblick gar nicht vorstellbar.
  • Der Technikfortschritt ist deutlich. Er bedeutet allerdings auch, dass nicht weniger, sondern mehr und vor allem besonders qualifizierte Pflegefachkräfte erforderlich sind.
  • Eine Zukunft in der Pflegerobotik liegt im individuellen Anpassen an die Bedürfnisse der Menschen. Dazu ist nicht nur viel mehr interdisziplinäre Forschung erforderlich, sondern auch praktische Zusammenarbeit von Entwicklern und Pflegefachkräften vor dem Einsatz eines  Roboters im Einzelfall.

 

Literaturtipps

 

Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit: Digitalisierung in der Pflege

Jannis Hergesell, Hrsg: Genese und Folgen der Pflegerobotik

Tina Drechsel, Julia Inthorn (Hrsg) 

 

 

Danke an Pete Linforth für Bild auf Pixabay

 

Möglichkeiten des Organersatzes – nicht nur “Totenspende”

Während es im vorigen Beitrag um die “Totenspende” ging, habe ich heute weitere Möglichkeiten des Organersatzes zusammengestellt. Da gibt es sehr viel Neues, was Hoffnung macht, aber auch viele neue Probleme. Und das Fazit ist: noch hilft uns am meisten die “Totenspende”.

Organersatz durch Lebendspende

Man braucht nur eine Niere und hat zwei. Zumindest bei diesem Organ scheint also logisch: wenn alle, die nach medizinischen Gesichtspunkten für eine Spende in Frage kommen, eine Niere geben würden, bestünde kein Mangel mehr. In Deutschland sind zur Zeit mehr als 80 000 Patienten mit Niereninsuffizienz von der Dialyse (Blutwäsche ) abhängig; ihre Lebenserwartung, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit ist je nach Alter und Grunderkrankung stark eingeschränkt. Warum ist die Lebendspende so relativ selten? Schaut man auf die Weltkarte, so gibt es, so weit überhaupt registriert, große Unterschiede; das hängt teilweise damit zusammen, dass Spender bezahlt werden. Eine solche Form von “Organhandel” aber ist in Deutschland verboten, und das ist wohl gut so. Außer den medizinischen Kriterien sind also viele rechtliche Vorgaben zu bedenken und praktisch ist in Deutschland eine Spende für Menschen, die nicht in einer besonderen Beziehung zum Spender stehen, ausgeschlossen. Die Vorgaben gelten ebenso für Teiltransplantationen, zB der Leber. Öffentlich bekannt in Deutschland wurde die Nierenspende des damaligen (2010) SPD-Vorsitzenden und jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für seine Ehefrau.

Organersatz durch Produktion:

1. Gewebezüchtung

Schon seit 100 Jahren werden Gewebetransplantationen vorgenommen, besonders der Augenhornhaut, in steigendem Maße auch von Blutgefäßen und Herzklappen, ebenso von der in der Verbrennungsmedizin sehr wichtigen Haut. Man kann natürliche Gewebe benutzen oder solche, die künstlich hergestellt wurden. Die Technik verfeinert sich laufend. Bei diesem “Tissue Engineering” wird biologisches Gewebe durch Zellkultivierung hergestellt. Es werden einem Menschen Zellen entnommen und auf Gerüsten kultiviert. Da das Gewebe von Menschen stammt, gibt es kein Problem mit Abstossungsreaktionen. Dabei liegt besondere  Hoffnung auf den Stammzellen, aus denen sich noch jedes Gewebe entwickeln kann; die Frage ist, wie man diesen Differenzierungsprozess steuern kann, um am Ende ein bestimmtes Gewebe entstehen zu lassen. Weiterhin wird geforscht an der Erzeugung völlig künstlicher Gewebe, wo also nicht menschliche Zellen, sondern künstliche Materialien benutzt werden. Auch hier gibt es schon Erfolge bei “einfacheren” Geweben, die nicht aus vielen verschiedenen Zellarten bestehen, wie z.B. Knorpel. Auch hier aber ist eine Transplantation von auf diesem Wege hergestellten Organen zur Zeit noch Zukunftsmusik.

2.  Organe aus dem 3 D – Drucker

Die Erforschung des Biodrucks ist über 50 Jahre alt; heute handelt es sich um einen wachsenden Markt. Es werden Biomaterialien, Zellen, benutzt, die dann in Schichten ausgedruckt werden, wobei eine Computersoftware zunächst eine dreidimensionale Vorlage erstellt hat. Das ist heute möglich für Gewebe mit einer einfachen Zellstruktur; so wurden Knorpel, Knochen und Hautgewebe bereits gedruckt und auch an Tiermodellen angewandt. Ein Organ wie die Niere allerdings besteht nicht nur aus einem Zelltyp. Das zweite bisher nicht gelöste Problem ist die Größe der Organe. Vor wenigen Jahren wurde bereits ein so komplexes Organ wie das Herz gedruckt, mit Klappen, Blutgefäßen usw, allerdings in der Größe etwa einer Kirsche. Weiterhin ist noch Vieles unbekannt: welche Stammzellen genau und wieviele werden gebraucht, um dann das gewünschte Gewebe entstehen zu lassen? Auch ist nicht bekannt, wie lange die Funktionalität eines solchen gedruckten Organs gesichert wäre.

Bei diesen Methoden sind große Erfolge zu verzeichnen; auch besteht eine realistische Hoffnung auf Lösung von noch bestehenden technischen Problemen in den nächsten  Jahren. Allerdings sollten wir uns inzwischen mit den neu aufgetauchten Fragen beschäftigen: was würde das Ideal einer personalisierten Transplantationsmedizin kosten? Würde sie für alle zugänglich sein können? Und schließlich: wo liegt ein Missbrauchspotential, z.B. wenn Technik vermehrt für Enhancement angewandt wird? Man denke an speziell konstruierte Organen für Hochleistungssportler sowie an militärische Anwendungen!

Organersatz durch Tierorgane

Der Gedanke, Tierorgane heranzuziehen ist alt. 1925 schrieb M.Bulgakow den Roman “Hundeherz”, zwar eine politische Metapher, in der aber das Problem der Identität eines Mischwesens antizipiert wurde. Praktisch scheiterten solche Transplantationen, weil der Organismus das als fremd empfundene Organ nach zunächst erfolgreicher Transplantation abstößt. Somit wurden immer mehr Versuche unternommen, Tiere dahingehend “anzupassen” dass sie mit dem fremden, menschlichen Organismus kompatibel sind. 2019 wurden z.B. Schweineherzen in Paviane implantiert, und vor wenigen Tagen kam die Nachricht der ersten Transplantation eines Schweineherzens in einen Menschen. Warum Schweine? Sie sind dem Menschen sehr ähnlich!

Genetische Veränderung der Tiere

Für derartige Transplantationen ist eine genetische Veränderung nötig. Im “einfachsten” Fall  verändert man die Fähigkeit des Tieres, Stoffe zu produzieren, die für Abstoßungen verantwortlich sind. Inzwischen gibt es aber auch schon die Methode, menschliche Organe im Tier zu züchten, indem menschliche Stammzellen in Tier-Embryonen eingepflanzt werden, sodass ein Mischwesen (Chimäre) entsteht. Probleme damit gelöst? Natürlich nicht. Auch hier werden die technischen Hindernisse immer mehr beseitigt werden, aber neben den biotechnischen und medizinischen Fragen wirft die Chimären – Erzeugung so wie auch die Xenotransplantation (Fremdübertragung) an sich philosophisch – ethische, rechtliche, psycho – soziale und politische Fragen auf. Dabei steht im Vordergrund die Frage nach dem “moralischen Status” eines so entstandenen Wesens: ist dieses nun ein Tier oder ein Mensch? Gilt dann das für Menschen gemachte Recht oder das Tierschutzgesetz? Das Letzte unterscheidet Tiere mit Wirbeln von anderen ohne solche, nicht wegen der Wirbel, sondern weil nach bisherigen Kenntnisse diese mehr Angst und Schmerz empfinden können. Hier entstehen völlig neue und sehr komplizierte Fragestellungen; das einzig Klare dabei ist bisher: je näher die Tiere dem Menschen kommen, (am Ende stehen die Affen aufgrund ihrer Ebenbildlichkeit), desto schwieriger werden die Antworten.

Ist ein Tier nur ein Ding?

Bezüglich der Benutzung von Tieren sind die wesentlichen Fragen, die Antworten dringend brauchen:

  • Ist es generell in Ordnung, Leben zu vernichten, um Leben zu schenken? Ist ein lebendes Wesen nur eine Art Behälter für Organe?
  • Sind Tiere Dinge, über die wir einfach nach unseren jeweiligen Bedürfnissen verfügen dürfen, bis hin zu einer Veränderung ihrer genetischen Substanz?
  • Wo muss die Grenze bei Chimärenerzeugung gezogen werden? Was bedeutet es für uns, wenn wir die Grenze Mensch – Tier einreißen?  (Die Vorstellung, dass sich menschliche Stammzellen im Tier zu Gehirnzellen entwickeln und die Frage, ob das entstehende Mischwesen dann ein menschliches Bewusstsein hätte, sind im Augenblick noch mehr der Science Fiction zuzuordnen, erscheinen am Horizont aber durchaus realistisch)

Kann die Philosophie antworten?

Im Anschluss an die Frage, ob man Tiere einfach so benutzen darf, tauchen weitere auf: das Schwein wird nach der Organentnahme eingeschläfert. Darf man das, und was heißt das, wenn es als Methode weitestgehend eingeführt würde? Wäre es dann sinnvoll, immer beide Nieren zu entnehmen für zwei Spenden? Was ist mit Organen, die nicht paarig sind? Welche Alternativen gäbe es für das Tier? Natürlich taucht hier dann auch die Frage auf, wieviel Schweine denn jährlich geschlachtet würden zur Nahrungserzeugung für Menschen!

Die Philosophin Christine Korsgard aus Harvard folgt Kant mit seinem Grundsatz der Selbstzweckhaftigkeit und verneint die Frage, ob Tiere eine Sache sind. Sie hätten, wie auch der Mensch, einen Sinn in sich selbst, existierten also für sich und nicht für Andere, und deshalb müsse ihre Würde respektiert werden. So wie: “Women don’t exist to make homes for men; people of color don’t exist to provide cheap labor for white people; animals don’t exist to provide food, labor, and organs for people”. Das zitiert der Journalist Dylan Mattews aus einer Korrespondenz mit der Philosophin.

Demgegenüber sagt der Philosoph Peter Singer, ein Vertreter des Utilitarismus, – der Richtung also, die den Nutzen für die größtmögliche Zahl von Menschen als Hauptkriterium anlegt- : er halte die Tötung des Tieres nach der Organentnahme nicht für unethisch, aber dafür müsse dem Schwein als Minimum ein artgerechtes Aufwachsen gegeben werden, also schon die Eltern des Tieres dürften nicht in Farmen mit Boxen gehalten werden, sondern müssten sich in natürlicher Umwelt aufhalten können.

Fazit

Wenn wir die gewünschte “Regenerative Medizin” weiter ausbauen wollen, gibt es schon einige Alternativen. Am erstrebenswertesten wäre, wenn wir rasch bessere Gewebe und ganze Organe herstellen könnten. Allerdings wird das, bis es auf breiter Ebene angewendet werden kann, noch viele Jahre brauchen. Also bleiben als Möglichkeiten des Organersatzes bis dahin nur: mehr Totenspenden, mehr Lebendspenden, oder doch mehr Tierspenden mit genetischer Veränderung, wenn wir das Problem der Organbedürftigen lösen wollen, die sonst sterben, aber mit einem neuen Organ noch lange und gut leben könnten.

Vielleicht ist der Jahresanfang als Zeit der guten Vorsätze also geeignet, jetzt einen Organspendeausweis auszufüllen?

 Literaturtipps

Danke fürBild von Heidi Bohez auf Pixabay

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