Geklonte Affen und Doppelgänger
Die Nachricht: In China wurden Affen geklont. Was ist Klonen? Man könnte sagen, die Erzeugung von (späten) Zwillingen. Genauer: die Herstellung einer nahezu genetisch identischen Kopie eines Organismus aus einer entkernten Eizelle, in die der Zellkern aus einer Körperzelle eines erwachsenen Lebewesens eingebracht wird. Der so entstandene „Embryo“ kann dann in frühem Stadium benutzt werden, um Stammzellen zu gewinnen, oder er wird zur weiteren Entwicklung in eine Gebärmutter eingebracht. Das entstehende Lebewesen, wie zum Beispiel das vor fast einem Vierteljahrhundert erstmals geklonte Schaf „Dolly“, ist chromosomal identisch mit dem Spender der Körperzelle. Das Klonen kann also zwei ganz verschiedene Ziele haben: Forschungszwecke, z.B. Entwicklung neuer Therapien; dann spricht man von „therapeutischem Klonen“, oder aber man möchte in einer Leihmutter ein geklontes Wesen austragen und zur Welt kommen lassen, das wäre „reproduktives Klonen“. Dieses ist nach Dolly an verschiedenen Tieren gelungen, zum ersten mal jetzt bei Primaten.
Menschen klonen?
Wenn man Primaten klonen kann, wird man auch Menschen klonen können, irgendwann. Technisch. Rechtlich wäre das in Deutschland allerdings ebenso verboten wie das jetzt schon erfolgte Klonen der Affen in China. In Deutschland sind Tierversuche gesetzlich geregelt; Versuche an Primaten unterliegen besonders strengen Regeln, da Primaten uns sehr ähnlich sind und intellektuelle Fähigkeiten aufweisen. So war 2016 bei den Versuchstieren der Anteil von Mäusen etwa 70 %, von Nutztieren etwa 1 % und von Primaten 0.06%.* Offensichtlich gelten in China andere Regeln. Immerhin wurden sofort auch hier Stimmen laut, die den „Standort Deutschland” durch die hier üblichen Kriterien gefährdet sehen, argumentieren die Befürworter doch, dass diese Tiermodelle die Forschung weiterbringen würden.
Ethische Bedenken
Was sind die ethischen Bedenken? Zunächst einmal ist da die Tierethik. Einer erfolgreich beendeten Versuchsreihe – also hier der Geburt der Affenbabies – gingen Dutzende von nicht erfolgreichen Versuchen voraus, ein erheblicher „Embryonenverschleiß“. Übertragen auf den Menschen heißt das auch hier hoher Embryonenverbrauch. Dazu das Problem der Verwendung weiblicher Eizellen, von denen viele zur Verfügung stehen müssen. Das kann man als Kommerzialisierung des weiblichen Körpers bezeichnen, als Instrumentalisierung des Menschen schlechthin. Das Grundsatzproblem des Embryos als „Rohstofflieferant“ stünde auch schon beim therapeutischen Klonen stark im Vordergrund. Darf man überhaupt menschliche Lebewesen als Produkt ins Leben bringen mit einer aufgezwungenen Zwecksetzung? Eine Person auf einen Zweck festlegen? Setzt jede Person ihren Zweck nicht selbst, hat sie nicht ein Recht auf eine offene Zukunft? – Beim reproduktiven Klonen käme noch mehr dazu: was bedeutet das für eine Beziehung? (Das Kind wäre nur einem Partner erbgleich.) Was bedeutet es für das Kind? (Würde es sich als Double verstehen?) Ganz abgesehen von dem Infragestellen unserer gewohnten verwandtschaftlichen Verhältnisse, ja, unserer gesamten sozialen Struktur: bei einem männlichen Zellkernspender wäre der Klon sowohl Sohn wie auch Zwillingsbruder des Spenders. Ist die Spenderin aber weiblich, würden Männer „überflüssig“, eine rein weibliche Population würde entstehen.
Wirklich wie ein Ei dem Anderen?
Die tiefsitzenden und meist zuerst geäußerten Ängste vor dem „Doppelgänger“ dagegen wären wohl am wenigsten begründet. Wir werden nicht nur programmiert durch Genetik. Lange glaubte man, dass die Eigenschaften eines Organismus unveränderbar durch die Gene bestimmt würden. Heute wissen wir, dass die in den Genen gespeicherte Information durch äußere Faktoren verändert werden kann. Diese sogenannte Epigenetik verändert nicht die Gene selbst, sorgt aber dafür, welche ein – oder ausgeschaltet werden. Das Erbgut ist damit nicht starr, sondern flexibel.
Übrigens sind bei eineiigen Zwillingen nicht einmal die Fingerabdrücke identisch! Dazu kommen die Epigenetik, alle Umwelteinflüsse, Vorbilder und Erziehung, Sprache und Kultur. Es mag sein, dass Luise „ mit dem gleichen Gesicht herumläuft“ wie Lotte in Erich Kästners „Doppeltem Lottchen“, aber sie ist eine ganz andere Persönlichkeit. Keine Ängste also vor dem Klonen von Menschen? Nein, keine diffusen Ängste vor dem Doppelgänger, aber große Bedenken gegenüber einer Methode aufgrund von Fragen, die hier nur angedeutet werden können. Das Klonen von Menschen ist aufgrund technischer Schwierigkeiten noch weit entfernt? Es ist mit dem Klonen der Affen einen Schritt näher gerückt. Es wird Zeit, dass die Fragen öffentlich und breit diskutiert werden.
* Quelle: Statistik des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrauchersschutz
Literaturtipp:
A. Mc Laren: Klonen – ethisch betrachtet
U. Janßen, U. Steuernagel: Die Kinder-Uni. Warum darf man Menschen nicht klonen? Audio CD, Audiobook
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